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Aestivation bei Schildkröten oder warum man so gut wie nie Spinnenschildkröten mit Höckern sieht
von Hans-J. Bidmon, Düsseldorf (Stand 03. 03. 2010)
Als Aestivationsphasen bei Schildkröten bezeichnet man Ruhephasen (Dormanz), die bei so warmen Temperaturen stattfinden, dass eigentlich ein Stoffwechsel weiterhin möglich wäre. Damit haben wir auch gleich die Abgrenzung zur Winterruhe oder Hibernation vorgenommen, die ja dadurch bedingt wird, dass die Umgebungstemperatur und damit auch die Körpertemperatur (poikilothermer, wechselwarmer) Tiere unter das für einen normalen Stoffwechsel erforderliche Temperaturniveau absinkt. (Lediglich winterschlafende Säugetiere stellen eine Ausnahme dar, da sie bei Unterschreitung einer bestimmten Umgebungstemperatur aktiv die Körpertemperatur nicht weiter absinken lassen.) Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass beide Ruhephasen der Energieeinsparung bei Nahrungsknappheit dienen (Übersicht: Bidmon, 2001; 2009). Somit haben wir auch schon einen der wesentlichen Gründe, warum es überhaupt zu einer Aestivationsphase trotz warmer, den Stoffwechsel fördernden, Temperaturen kommt, erarbeitet. Dieser begründet sich nämlich durch Nahrungs- und Wassermangel in Trockenphasen. Letzteres ist mit ein Grund dafür, dass wir die Aestivation auch als Trockenruhe, mehr oder weniger, unabhängig von den Jahreszeiten bezeichnen. Einige Beispiele: Die Trockenruhe der Spinnenschildkröten und einiger anderer Arten findet zu einer Zeit statt, in der auf der Südhalbkugel Winter ist, weshalb man sie von der Jahreszeit her auch Winterruhe nennen könnte. Allerdings sind diese Winter eben nicht so kalt, dass kein Stoffwechsel mehr möglich wäre. Auf Madagaskar fällt eben die Trockenzeit genau mit dieser Winterzeit zusammen, sodass man von einer Trockenruhe spricht. Im Vergleich dazu, im nur unweit westlicher gelegenen Südafrika, fällt während genau der gleichen Winterzeit (Juli) der meiste Regen, sodass die dort lebenden Schildkröten eben bei diesen, immer noch milden winterlichen Temperaturen, ihre Hauptaktivitätszeit haben, weil die Regenzeit genug nasses und frisch keimendes Grün mit sich bringt (Loehr et al. 2007). Gleiches kennen wir in den nördlicher gelegenen Gebieten auch von Testudo kleinmanni
, die den milden regenreicheren Winter entlang der nordafrikanischen Mittelmeerküste zu ihrer Hauptaktivitätszeit nutzt, weil mehr Feuchtigkeit auch mehr Nahrung und milde Temperaturen in diesen Breiten bedeutet. Ähnliches gilt natürlich auch für Wasser- und Sumpfschildkröten. Bei letzteren wird der Begriff Trockenruhe oft noch deutlicher, nämlich dann, wenn ihr Lebensraum im wahrsten Sinne des Wortes austrocknet, wie wir das von etlichen Spezies aus Australien, Afrika, Mittel- und Südamerika her kennen (um Zeit zu sparen siehe Schildkröten im Fokus und Wissenschaft im Fokus online Archiv). Es kommt aber auch nicht selten vor, dass eine Trockenruhe kontinuierlich in eine Winterruhe übergeht, wie z. B. bei der Vierzehenschildkröte in Kasachstan oder eine Winterruhe kontinuierlich in eine Trockenruhe übergeht wie bei der Wüsten-Dosenschmuckschildkröte, da es zwar wieder wärmer wird, aber so trocken bleibt, dass die Tiere weiter ruhen müssen. Damit habe ich Ihnen hoffentlich die Unterschiede zwischen Winterstarre (Ruhe, z.B. Zackenerdschildkröten sind bei +6°C – +10°C nicht wirklich starr!) verständlich gemacht. Allerdings - und das ist eines der Probleme - haben wir damit noch längst nicht verstanden, wie diese Trockenruhe physiologisch gesteuert wird und welche Rolle sie für die jeweilige Spezies spielt. Wie bei Bidmon (2001) schon beschrieben, gibt es fakultative und obligatorische Ruhephasen und ganz allgemein kann man davon ausgehen, dass Ruhephasen die, mehr oder weniger unabhängig von einer fixen Jahreszeit erfolgen, in der Regel fakultativ sein müssen, weil sie unabhängig von der circadianen und circannuellen Tages- und Jahresrhythmik der Tageslängen geregelt werden. Je mehr eine Ruhephase an eine ganz bestimmte Jahreszeit gekoppelt ist, umso obligatorischer wird sie ablaufen und desto stärker ist sie, wie die Hibernation, über das Licht und die Augen (Hypothalamus-Epiphysenachse), an den circannuellen Rhythmus der Jahreszeiten angekoppelt. Allerdings bei allen Tieren, die eine Epiphyse (Pinealorgan) haben, steht diese in der Regulationshierarchie des hormonellen Regulationskreislaufs der circannuellen Anpassung an erster Stelle, selbst dann, wenn bei manchen Arten - und insbesondere bei Alligatoren (denen die Epiphyse fehlt) - die Augen auch Melatonin produzieren können.
Was heißt das nun?
Es bedeutet, dass eine fakultative Trockenruhe immer und unabhängig von der aktuellen Jahreszeit durch Regen und eine Erhöhung der Luft- bzw. Bodenfeuchte unterbrochen werden kann und dass Trockenruhen auch mal über längere Perioden als einen Jahreszeitenzyklus oder gar Jahreszyklus anhalten können, wenn der Regen ausbleibt. Im Gegenzug kann es auch bedeuten, dass während der eigentlichen Aktivitätszeit und der eigentlichen Regenzeit ein Luftdruckanstieg, sprich ein Trockenheit mit sich bringendes Hoch, eine Trockenruhe einleiten kann (in Bezug auf praktische Erfahrungen bei der Schildkrötenhaltung siehe dazu auch Reinarz, 2008; Stein, 2006). Allerdings kann man für die wenigen Arten über die einige Beobachtungen aus ihren Extrembiotopen vorliegen davon ausgehen, dass Trockenphasen von mehr als etwa 245 Tagen Dauer oft nicht mehr mit dem Überleben vereinbar sind und nur von wenigen Exemplaren, die einen Ruheplatz mit noch relativ hoher Bodenfeuchte gefunden haben, überdauert werden können (Wüsten-Gopherschildkröte -
Gopherus agassizii
, Vierzehenschildkröte -
T. horsfieldii
, Wüsten-
Dosenschmuckschildkröte -
Terrapene ornata luteola
, Chilenische Landschildkröte -
C. chilensis
, Plattschildkröten -
Acanthochelys pallidipectoris
). Je nach Lebensraum können manche Kinosterniden aber auch nur 1 – 1,5 Monate Trockenruhe problemlos verkraften (Ligon & Peterson 2002, Ligon & Stone, 2003).
Wenn wir nun die Frage nach der Steuerung einer fakultativen Aestivationsphase stellen, dann kann man hier Wassermangel und eine Verschlechterung der Futterqualität anführen (siehe Bidmon, 2009 und die dort zitierte Literatur). Denn wenn, zum Beispiel in trockener werdenden Pflanzen, der Mineralgehalt ansteigt, sodass die Schildkröten sie nicht mehr fressen können, weil sie sonst ihren Mineralhaushalt im Blut, in der Interzellularflüssigkeit und in den anderen Körperflüssigkeiten nicht mehr auf einem osmotisch tolerierbaren Niveau halten können, müssen sie aufhören zu fressen und Ruheorte aufsuchen, die sie möglichst vor weiteren Wasserverlusten schützen. Diese Ruheorte müssen sie schon zu einer Zeit aufsuchen, die ihnen noch soviel niederosmolare Flüssigkeitsreserven lässt, dass die Stoffwechselendprodukte, die während der Ruhezeit bis zur nächsten Regenzeit im Organismus anfallen, in nicht toxischer Konzentration gelöst oder meist in Form von Urat in der Harnblase gelagert werden können (siehe Bidmon, 2009 und die dort zitierte Literatur).
Was heißt nun rechtzeitig?
Rechtzeitig ist in diesem Fall auch größenabhängig, da größere Individuen mehr Wasser speichern können. Das heißt je kleiner die Schildkröte, desto rechtzeitiger muss sie ihren Ruheplatz aufsuchen und ihren Stoffwechsel „aktiv“ (siehe unten) reduzieren, um mit ihren Wasserreserven auszukommen. Denn jeder zusätzliche stoffwechselaktive Tag lässt mehr ausscheidungspflichtige Stoffwechselendprodukte anfallen und wenn kein trinkbares, mineralarmes Wasser mehr vorhanden ist, ist auch kein Austausch mehr möglich. Dies ist auch mit einer der Gründe, warum man in manchen ariden Gebieten gerade Jungtiere und Schlüpflinge längst nicht mehr findet, obwohl Adulte noch anzutreffen sind. Schlüpflinge und Jungtiere können nur dort länger als Adulte aktiv sein, wo es noch sehr kleine, für große ausgewachsene Tiere längst nicht mehr ausreichende oder weil in Spalten gelegen zugängliche Wasseransammlungen gibt (das wären aber absolute Ausnahmen).
Für uns als Halter stellt sich nun die Frage: Was benötigen Schildkröten, um diese Ruhephasen gut zu bewältigen? Hier möchte ich nur auf einige der relevanten Aspekte eingehen, denn alles Andere würde zu wissenschaftlich und kompliziert. Für die Praxis gibt es zwei wichtige Punkte: Wasserreserven und Ruhe! Jetzt werden Sie sich fragen, was eine so banale Feststellung soll. Aber wie gesagt, für die Tiere ist es wichtig eine Wasserreserve in der Harnblase zu haben, in der sie Stoffwechselendprodukte, die ausscheidungspflichtig oder gar toxisch sind, in einer noch tolerierbaren Weise lösen können. Bei Schildkröten ist die Harnblase, im Gegensatz zum Säuger, nicht dicht. Das Wasser in der Blase, mit den darin gelösten Substanzen, kann direkt mit den anderen Körperflüssigkeiten kommunizieren und somit findet ein Flüssigkeitsaustausch und Ausgleich der gelösten osmotisch-wirksamen Substanzen statt. Was bedeutet Ruhe praktisch? Für uns als Halter bedeutet Ruhe praktisch, dass wir unsere Kontrollen bei ruhenden Tieren so vorsichtig durchführen müssen, dass sie dabei nicht, wie bei Wildtieren recht häufig zu beobachten, in einer Schreck- oder Abwehrreaktion ihre Blase entleeren. Denn dann ist ihr ausgleichender Wasserspeicher weg und eine andauernde Ruhephase kann katastrophal enden, weil den Tieren der Wasservorrat fehlt, um die weiter anfallenden Stoffwechselendprodukte in tolerierbarer, nicht toxischer Konzentration zu speichern. Das heißt, und das sei hier explizit noch einmal wiederholt: Ruhe heißt, dass jegliche Störungen, die mit dem Endleeren der Harnblase einhergehen würden, zu vermeiden sind! (Selbst bei einer Überwinterung z. B. im Kühlschrank sollten Sie sich bei dem häufig praktizierten Wiegen der Tiere hüten, sie so zu manipulieren, dass sie dabei Harn absetzen. Denn wenn das im November kurz nach Beginn der Ruhe vorkommt und Sie das Tier trotzdem bis Ende März weiterruhen lassen, können Sie fast schon von Glück reden, wenn es dies noch überlebt, aber mit Problemen muss man dann immer rechnen, weil manche der Stoffwechselendprodukte in sehr hoher (toxischer) Konzentration vorliegen.) Das ist auch mit ein Grund, warum so viele über die Maßen dehydrierte Wildfänge in der Vergangenheit kaum noch zu retten waren, da häufig schon innere Organe während des Transports eine Vergiftung davon getragen hatten.
Was wissen wir noch und welche Erkenntnisse zur Haltungsverbesserung könnten sich daraus ergeben? Mit Ausnahme des Aestivationsverhaltens, das ja für etliche Schildkrötenarten beschrieben ist, gibt es zur Aestivationsphysiologie, d. h. den physiologisch notwendigen Anpassungen bei Schildkröten, nur wenige Untersuchungen - zum einen zum täglichen Wasserverbrauch (Roe et al. 2008, Ligon & Peterson 2002), aber auch zum Stoffwechsel (Trachemys scripta). Aber wie Storey & Storey (1990; Storey et al.1999) schon zeigten, ähneln sich die physiologischen Prozesse, die während der Ruhephasen ablaufen, sehr stark, sowohl was die Amphibien und Reptilien als auch die Reptilien und Säuger angeht. Es kommt zu einer 5-20fachen Absenkung des Stoffwechsels. Um allerdings diese Absenkung zu erreichen, kommt es gleichzeitig zu einer Hochregulation einiger Genaktivitäten (Transkription, Translation von RNS) und der Proteinbiosynthese für Proteine, die gebraucht werden, um die Stoffwechselabsenkung zu bewirken und zu regulieren, sowie zu Proteinen, die zum Schutz - zum Beispiel gegen oxidativen Stress, benötigt werden (siehe zusammenfassend die Diskussion bei Hudson et al. 2008). Wobei die meisten Untersuchungen zur Hochregulation solcher Faktoren für Leber, Herz und Hirn beschrieben wurden. Ja sogar epigenetische, so genannte Genabschalter (Gene Silencer) wie SIN3A werden erhöht. Daraus lernen wir wieder, dass zum Beginn einer Ruhephase, also auch bei der Aestivation, eine RNS- und Proteinneusynthese notwendig ist und dazu sollten Reserven vorhanden sein, die ja auch unter natürlichen Bedingungen von den Tieren während der Regenzeit gesammelt werden konnten. Als Halter sollten wir also darauf achten, dass man das des Öfteren empfohlene „Großhungern“ nicht zu wörtlich nimmt, denn gerade Jungtiere brauchen Reserven, wenn sie solche Zeiten problemlos meistern sollen. Ebenso kann zum Beispiel ein Futter, das reich an Antioxidantien ist - wie rosa-lila Blütenfarbstoffe-, Vitamin E, Selen etc. für Herbivore aber auch Futtertiere, die mit solchen Pflanzenteilen gefüttert wurden, für Karnivore (Bidmon, 2010) das antioxidative Potential für die Ruhephase unterstützen. An dieser Stelle wird jetzt wieder so mancher („medizinisch Vorgebildete“) anmerken, dass bei abgesenktem Stoffwechsel auch weniger oxidativ wirksame Radikale anfallen, was ja auch tatsächlich stimmt, wenn man die absoluten Mengen misst. Allerdings sollten Sie bedenken, dass während der Ruhephasen ja auch keine solchen Metabolite oder deren Reaktionsprodukte mal so eben mit einer Ladung Urin oder Kot abgegeben werden können. Selbst bei dem reduzierten Herzschlag und Blutfluss müssen die meisten Körperzellen erst einmal selbst die Radikale entgiften und entsorgen, denn der Weg über die Interzellularflüssigkeit und Lymphe (Blut bis zur Leber und Niere – Blase) läuft nur sehr langsam ab.
Nun zum Schluss noch ein praktisches Beispiel dazu, was es mit der Energie und Proteinversorgung in Abhängigkeit mit den Ruhephasen so auf sich hat: Wir kennen alle die beiden oft sympatrisch, also im gleichen Lebensraum vorkommenden Strahlenschildkröten (Astrochelys radiata) und Spinnenschildkröten (Pyxis a. arachnoides). Asterochelys ist zumindest adult mit bis zu 15 kg recht groß, mit großer Reservekapazität und Pyxis a. arachnoides werden selten schwerer als 500 g. Beide Arten zeigen in ihren natürlichen Lebensräumen eine Trockenruhe, die auch für Astrochelys radiata durch eine ausgeprägte Inaktivität gekennzeichnet ist (Rioux-Paquette et al. 2007). Aber die Ruhephase der Strahlenschildkröte ist - wie bei den meisten großen Landschildkröten aus Extremlebensräumen - wesentlich wechselhafter (fakultativer), als bei den kleinen Arten mit weniger Reservepotential die, wie die Spinnenschildkröten, fast schon eine obligatorische Trockenruhe zeigen (siehe auch Bidmon, 2001). Zudem haben große Arten auch oft genug Beißkraft, wasserspeichernde, große Kakteen (z. B. Opuntia sp.) anzufressen, um noch an saftige Nahrung zu gelangen (Pedrono, 2008). Für die Haltung der beiden Arten in unseren Tierhaltungen bedeutet das, dass man die Strahlenschildkröte relativ leicht aktiv halten kann, wenn man genug Feuchtigkeit und Frischfutter anbietet, sodass die Tiere unseren Sommer im Freiland und den Winter im Innenraum hindurch aktiv bleiben und fressen, ja sich sogar fortpflanzen. Auch die Jungtiere und Halbwüchsigen wachsen unter diesen Bedingungen. Wenn wir, weil wir uns zuviel Schimmel und Dunst im Haus oder Terrarium nicht leisten können, dann den Halbwüchsigen keine optimalen Feuchteboxen anbieten können (siehe Fife, 2006), kommt es halt durch Feuchtigkeitsmangel zur Höckerbildung. Im Gegenzug dazu sieht man so etwas bei der fast obligatorisch „trockenruhenden“ Spinnenschildkröte so gut wie nie, denn die Spinnenschildkröte frisst aktiv in ihrer feuchtheißen Aktivitätsphase, reproduziert sich und wächst. Wenn es trockener wird, fängt sie sofort (auch wenn noch Futter da ist) an, sich für die Trockenruhe vorzubereiten, aus der sie dann selbst durch kurzzeitiges Besprühen nur schwer zu erwecken ist. Wenn es also einer Spinnenschildkröte generell zu trocken wird, geht sie zügig in die Trockenruhe (Stein, 2006). Sie hat bezogen auf die Körpergröße nur geringe Wasserreserven und stellt das Wachstum ein. Wer eine Spinnenschildkröte mit Gewalt, das heißt mit viel Wasser und Futter, daran hindert, hat auch nicht lange Spaß an ihr, weil sie einfach verstirbt. Da Schildkröten, die bei Trockenheit ruhen und nicht wachsen, keine Höcker (Pyramiden) ausbilden und Individuen, die eher sterben, als dass sie weiterwachsen, dies auch nicht tun, sieht man selten höckerige Spinnenschildkröten, aber meist sehr viele höckerige Strahlenschildkröten. Dies liegt daran, dass Strahlenschildkröten eben auf Wassermangel nicht so schnell mit Ruhe reagieren wie Spinnenschildkröten. Zugegeben, auch die Endgröße hilft meist den kleineren Arten - zumindest unter Freilandbedingungen - Höcker zu vermeiden, denn sonst würden wir auch viel mehr höckerige Vierzehenschildkröten sehen, weil es klein bleibende Arten oft leichter haben, zumindest im Freiland, feuchte Ruheplätze unter höheren Pflanzen und Gras zu finden, während viele der größer werdenden Arten häufig die Höcker in voller „Pracht“ ausbilden, wenn sie so groß sind, dass für sie ausreichend hohe, dichte und Feuchtigkeit spendende Vegetation zur Mangelware geworden ist. Ein gutes Beispiel dafür sind die Sternschildkröten, bei denen die vergleichsweise großen Weibchen fast alle Höcker zeigen, während viele der klein bleibenden Männchen von vielen meist noch ohne aufgezogen werden können (siehe auch Bidmon und Jennemann, 2006).
Zum Schluss gestatten Sie mir noch, Sie für die knappen Literaturangaben um Entschuldigung zu bitten. Aber da es sich hier nicht um einen gedruckten zitierbaren Beitrag handelt, habe ich mich aus Zeitgründen auf das Wesentliche für Sie als Schildkrötenhalter beschränkt, um Ihnen die in der Praxis zu berücksichtigenden Fakten nahe zu bringen. Sie finden die entsprechende Primärliteratur aber über die Referenzverzeichnisse der angeführten Zitate. Auch wenn ich mich damit etwas dem Niveau einiger Zeitschriften angenähert habe sollte, denen der Platz für eine gute ausführliche Literaturrecherche auch nicht so wichtig ist, da Literaturangaben nur den Platz für die lukrativere Werbung beschneiden würde. Mir bleibt neben Beruf mit Ausnahmen wie Ostern, Weihnachten und Urlaub neben der Schildkrötenpflege auch nicht unbedingt die Menge an Freizeit, dass ich sie mit dem Erstellen von Referenzverzeichnissen vertun könnte, zumal diejenigen unter Ihnen, die solche online gestellten Berichte lesen, auch das Equipment dazu haben, sich im WiF-Archiv über die aktuellsten Arbeiten online zu informieren.
Bidmon H-J (2001) Regulation der Ruhephasen bei Schildkröten: Was ist bekannt und welche Konsequenzen ergeben sich für die erfolgreiche Haltung? Radiata, Haan 10: 3-19.
Bidmon H-J (2009) Ernährungsgrundlagen und Darmpassagezeiten bei herbivoren Landschildkröten – oder wie selektierende Nahrungsgeneralisten auch unter extremen Bedingungen überleben: Eine Übersicht. Schildkröten im Fokus 6 (1): 3-26.
Bidmon H-J (2010) Karnivore Schildkröten: Was ist ihr handelsübliches Futter eigentlich wert? Oder: Die Bedeutung des Darminhalts der Futtertiere. Schildkröten im Fokus 7 (1): 3-18.
Bidmon H-J, Jennemann G (2006) Hohe relative Luftfeuchtigkeit, gleich glatte Panzer: Wie lässt sich das in der Landschildkrötenhaltung praktikabel realisieren? Schildkröten im Fokus 6 (4): 3-18.
Fife, R. (2006) Care and breeding of the radiated tortoise, Geochelone radiata. In: Artner, H., Farkas, B., Loehr, V. (eds.) Turtles: Proc. Int. Turtle & Tortoise Symposium, Vienna 2002. Chimaira, Frankfurt; pp. 505-510.
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Ligon DB, Peterson CC (2002) Physiological and behavioral variation in estivation among mud turtles (Kinosternon spp.). Physiol Biochem Zool. 75 (3): 283-293.
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Loehr , V. J., M. D. Hofmeyr & B. T. Henen (2007): Growing and shrinking in the smallest tortoise, Homopus signatus signatus : the importance of rain. – Oecologia. 153 (2): 479-488.
Rioux-Paquette , S., S. M. Behncke, R. A. Brennemann, E.E. Louis, F. J. Lapointe & S. H. O'Brien: (2007): Riverbeds demarcate distinct conservation units of the radiated tortoise ( Geochelone radiata ) in southern Madagascar. – Conservation Genetics 8: 797-807.
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